am 25.04.2025 von Matthias Ebel

Sortenkunde - Teil 2 - Einteilung nach Aroma

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Eine moderne Einteilung von Cannabissorten nach ihren Aromen

Cannabis ist weit mehr als nur eine psychoaktive Pflanze – es ist ein wahres Aromawunder. Die anteilige Menge an ätherischen Ölen und anderen Aromastoffen in den Blüten ist, im Vergleich mit anderen Pflanzen, extrem hoch (bis zu 5 %). Die Duftvielfalt ist dabei enorm und die Aromastoffe beeinflussen nicht nur den Duft und Geschmack sondern auch die Wirkung jeder Sorte. In der folgenden Sortenkunde werden Cannabis-Sorten nicht nach ihrer Genetik (Indica, Sativa, Hybrid), sondern nach ihrem dominanten Aromaprofil geordnet. Die ist eine moderne Einteilung, da wie in vorherigen Artikeln ausgefüht die Indica-Sativa-Einteilung nicht eindeutig klassifizierbar ist (Russo 2016). Die Einteilung nach dem Aroma ist dabei heutzutage mit Labortest zwar auch noch nicht genau definiert, wird aber in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Diese Perspektive bietet einen neuen, sensorischen Zugang zur Pflanze – und ermöglicht es, Wirkung und Geschmack gezielt auf individuelle Bedürfnisse abzustimmen.
Ich schließe mich der Einteilung im Großen und Ganzen der Einteilung von Ellen Holland in folgende 4 Hauptgruppen an.

1. Fruchtige und süße Aromen – Die zitronigen/fruchtigen Stimmungsaufheller
Charakteristik:
Diese Sorten zeichnen sich durch helle, belebende Aromen aus – Zitrusfrüchte, Grapefruit, Beeren, tropische Früchte. Typisch ist ein leichter, süß-säuerlicher Geruch, der oft mit guter Laune und Energie assoziiert wird. Viele dieser Sorten enthalten das Terpen Limonen, das für seine stimmungsaufhellende und konzentrationsfördernde Wirkung bekannt ist. Alle Sorten eint ebenfalls die Eigenschaft, dass sie eine nicht komplett ermüdend und sedierend wirken.

Wirkung:
- Stimmungsaufhellend
- Aktivierend
- Kreativitätsfördernd
- Fördert soziale Interaktion

Bekannte Sorten:
Haze (1970er):
Die archetypische Sorte zerebral stimulierender Sativas. Ursprünglich aus asiatischem Saatgut gezüchtet und in Holland veredelt. Sehr hoch-wachsende Pflanzen mit langer Blütezeit (bis zu 16 Wochen). Ideal für kreative Arbeit, aber auch alle soziale Aktivitäten und sportliche Betätigungen. Aktivität im Allgemeinen! Die starke psychotrope Wirkung überwältigend sein und sogar Angstzuständen, wenn diese Wirkweise unbekannt ist (gerade bei moderneren Haze-Züchtungen). Im kommerziellen Anbau, ist diese Sorte kaum zu finden, da die lange Blütezeit den Anbau weniger rentabler macht.

Aroma: Erdig, süß, zitronig
Wirkung: Fokussiert, euphorisch, kreativ
Medizinisch: Depressionen, Antriebslosigkeit, Angst

Super Lemon Haze (2008):
Eine moderne Kreuzung mit starker Zitronennote – eine energetische Weiterentwicklung der ursprünglichen Haze.

Tangie-Linie (ab 2015):
Frisch, fruchtig, mandarinig – Klassiker unter den modernen Sativas mit klarem Kopf und guter Wirkung für den Tag.

Blueberry (1970er):
Die erste Sorte mit intensiver Beeren-Note. Kreuzung aus Purple Thai, Highland Thai und Afghani. Eher entspannend, aber nicht ermüdend.

Aroma: Fruchtig, beerig-süß, vanillig
Wirkung: Entspannt, freudig, leicht sedierend
Medizinisch: Schlafstörungen, Schmerzen, Angst

Zkittlez & Wedding Cake (2010er):
Fruchtig-süß und oft hybrid-lastig mit leicht indica-dominanter Wirkung. Ideal für kreative Abende und Genuss ohne Schwere.

2. Florale Aromen – Die Komplexen mit Tiefe
Charakteristik:
Cannabispflanzen blühen – daher ist es nur logisch, dass manche Sorten stark nach Blumen duften. Die floralen Aromen sind oft komplex, mit warmen, würzigen Untertönen und einer gewissen Weichheit. Sie erinnern an Lavendel, Rosen, Jasmin oder Citronella. Typische Terpene: Linalool, Geraniol, Nerolidol.

Wirkung:
- Sanft körperlich entspannend
- Leichte mentale Klarheit
- Ausgleichend
- erregend

Bekannte Sorten:
Skunk #1:
Der Name ist irreführend – „Skunk“ bedeutet Stinktier, doch diese Sorte vereint scharfe schwefelhaltige Verbindungen mit floralen, weichen Herznoten von Terpenen. Entstanden aus Acapulco Gold, Colombia Gold und Afghani. Sehr robust, stark wüchsig mit relativ schneller Blütezeit und ideal für den Anbau in gemäßigten Klimazonen, wie Deutschland. Diese Sorte ist ein weiterer Grundpfeiler unserer heutigen Cannabissortenvielfalt.

Aroma: Erdige Basis, blumig-scharf
Wirkung: Fokussiert, hungrig, leicht entspannt
Medizinisch: Schmerzen, Müdigkeit, Depression

Lavender:
Eine ästhetische Sorte mit intensivem Lavendelduft. Kreuzung aus Super Skunk, Big Skunk Korean, Afghani Hawaiian. Besonders beliebt wegen ihrer psychedelischen Tiefe und spirituellen Wirkung. Die Pflanzen bestechen dabei nicht nur mit ihrer, als einmalig beschriebenen, Wirkung sondern auch durch ihr schönes Aussehen (lila bis schwarze Blätter). Eine weltberühmte Sorte, deren Wirkung ihr Züchter Soma folgend beschreibt: "Sie produziert ein lebendig, fesselndes High, dass durch alle Chakren zirkuliert". Eine bis dahin wirklich einmalige Sorte. Soma Seeds tat sich in den letzten Jahrzehnten mit weiteren einmaligen Sorten hervor.

Aroma: Floral, würzig, parfümiert
Wirkung: erhebend, euphorisch, entspannend
Medizinisch: Schlafstörungen, Angstzustände, chronische Schmerzen

3. Chemisch / Diesel / Benzin – Die Kraftvollen
Charakteristik:
Diese Sorten sind nichts für Anfänger – sie erinnern an Tankstelle, Werkstatt und scharfen Alkohol. Gerade weil sie so intensiv und ungewöhnlich sind, werden sie besonders von erfahrenen Kennern geschätzt. Das dominante Terpen ist oft Caryophyllen.

Wirkung:
- Stark und durchdringend
- Häufig betäubend oder euphorisch
- Hohe geistige Aktivierung oder Körperentspannung

Bekannte Sorten:
OG Kush:
Der Pionier der Diesel-Aromen. Intensiv, würzig, mit einem Hauch Süße. Kreuzung aus Chemdog und Hindukush. Stark sedierend, ideal für Schmerzpatienten oder Menschen mit Schlafproblemen.

Aroma: Diesel, würzig, süßlich
Wirkung: betäubend, stark entspannend, zufrieden
Medizinisch: Appetitlosigkeit, Depression, Schmerzen

Sour Diesel:
Weniger schwer als OG Kush, aber genauso intensiv im Aroma. Berühmt für ihren zitrus-dieselartigen Duft und die eher aktivierende Wirkung, die aber mit einer starken Gelassenheit einher geht.

Aroma: Diesel, Zitrone, leicht scharf
Wirkung: Kreativ, erleichternd, konzentrationsfördernd
Medizinisch: Depression, Schlaflosigkeit, Schmerzen

Green Crack:
Trotz des aggressiven Namens eine fruchtig-dieselige Sativa mit Fokuswirkung – ideal für den Tag und kreative Projekte.

4. Erdige Aromen – Die Ursprünglichen
Charakteristik:
Diese Sorten verströmen den Duft der Natur: Waldboden, Moos, Wurzeln, Harz. Sie stammen meist aus Gebirgsregionen wie dem Himalaya oder Nordafrika und werden oft als die „authentischsten“ Cannabisformen betrachtet. Sie werden bis heute geschätzt, weil sie ein unheimlichen Potenzial in der Stressbewältigung haben, ohne dass die psychoaktive Wirkung unkontrollierbar wird.

Wirkung:
- Tief entspannend
- Sedierend
- Körperlich wohltuend

Bekannte Sorten:
Hindu Kush:
Reine Landrasse aus dem Hindukush-Gebirge. Stark erdig, mit einer fast holzigen Tiefe. Ideal für den Abend oder therapeutische Nutzung.

Aroma: Erde, Sandelholz, Gewürze
Wirkung: Sedierend, glücklich, angstlösend
Medizinisch: Angstzustände, Schmerzen, Schlaflosigkeit

Gelato:
Eine moderne Sorte mit erdigem Grundton, ergänzt durch cremige, fast kuchige Noten. Sehr beliebt wegen ihrer Vielschichtigkeit und Potenz. Kreuzung aus Sunset Sherbert und Thin Mint GSC.

Aroma: Erdbeere, Teig, Eukalyptus, Tee
Wirkung: Glücklich, kreativ, stark entspannend
Medizinisch: Depression, Schlaflosigkeit, Angst

Fazit
Die Sorteneinteilung nach Aromen eröffnet einen neuen, sensorisch fundierten Zugang zur Welt des Cannabis. Aromen sind nicht nur eine Frage des Geschmacks – sie korrelieren eng mit der Wirkung und können je nach Bedürfnis gezielt ausgewählt werden. Ob man nun Energie, Kreativität, Entspannung oder Linderung sucht – das passende Aroma weist oft den Weg zur richtigen Sorte.

Russo, E. (2016). The Cannabis sativa Versus Cannabis indica Debate: An Interview with Ethan Russo, MD. Cannabis and Cannabinoid Research.
Holland, E. (2021), Weed - A Connoisseur's Guide to Cannabis. Quatro Publishing Group USA Inc.

am 03.06.2024 von Matthias Ebel

THCV - Minor Cannabinoids (z. dt. seltene Cannabinoide)

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THCV ist ein Cannabinoid, dass deutlich weniger vorkommt als THC und CBD. Eine neue Studie scheint die Vermutung zu belegen, dass THCV psychoaktiv, durchaus ähnlich wie THC, wirkt, aber ohne das starke Hungergefühl.

Jeder der Cannabis schon mal genutzt hat kennt es: den puren Genuss beim Essen und Trinken, nachdem Cannabis konsumiert wurde und der kaum zu stillen ist (in er Cannabiskultur als "Munchies" bezeichnet).

THC und andere Cannabinoide interagieren mit dem körpereigenen Endocannabinoidsystem, sind teilweise für Regulierung des Hungergefühls verantwortlich und greifen zusätzlich auch in die Nahrungsverwertung ein. Funktioniert das Endocannabinoidsystem nicht richtig, wie beispielsweise bei einer AIDS-Erkrankung oder in der Chemotherapie bei einer Krebserkrankung, kann dies zum Ausbleiben des Hungergefühls, einer schlechten Nahrungsmittelverwertung und folglich zu starkem Gewichtsverlust führen. Hier hilft die externe Zufuhr von Cannabinoiden, sprich Cannabis. Das Hungergefühlt wird einfach und schnell auf ein gesundes Niveau gesteigert, was sehr wichtig ist.
Doch bei einem "gesunden" Endocannabinoidsystem kann es zur unerwünschten Nebenwirkung führen - den Munchies. Kein Essensvorrat ist auf einmal mehr sicher. Der Hunger ist scheint unstillbar zu sein und es schmeckt köstlich! Die einfachsten Lebensmittel werden zur Haute-Cuisine. Am nächsten Tag sind alle Vorräte leer und für die strenge Diät war es auch ein Rückschlag.

Wie toll wäre es, wenn man Cannabis nutzen könnte ohne royale Völlerei?

Genau dies verspricht eine neue Studie (2024) die von den Firmen Phylos und People Science finanziert und durchgeführt wurde. Untersucht wurde die Wirkung von THCV im Vergleich zu Placebo und THC. THCV ist ein Cannabinoid, wie THC, CBD und noch über 140 weitere. THC und CBD sind anteilsweise die häufigsten Cannabinoide in Cannabis und auch die am besten untersuchten. Daher gibt es zu THCV oder Sorten mit höherem THCV-Gehalt noch wenig wissenschaftliche Date. Doch scheint die neue Studie das Ergebnis der Studie von Jardon et al. aus dem Jahre 2016 zu stützen (oder zu erklären).
Damals versprachen die Ergebnisse, dass THCV zukünftig eingesetzt werden könnte, um den Blutzuckergehalt bei Diabetes-Patienten zu kontrollieren. Die Aktuelle kam zu den Ergebnissen, dass die Einnahme von THCV bei allen Teilnehmern bei der placebokontrollierte Doppelblindstudie das Hungergefühl nicht signifikant steigerte (ganz im Gegensatz zu den Teilnehmern die THC einnahmen). Dabei war das Energielevel und Freude über den Tag bei 20-40% der Teilnehmer mit THCV gesteigert.

Die Studienqualität und Evidenz ist relativ gering, aber möglicherweise helfen Cannabiskultivare mit höheren THCV-Anteil, das die übermäßige Lust am Essen bei Freizeitnutzern besser zu kontrollieren.

Übrigens sind die Sorten aus Südafrika Durban und Durban Poison für einen höheren THCV-Anteil bekannt. Ebenfalls gibt es heutzutage moderne Züchtungen wie z.b. THC-Victory,...
Klickt hier für die originale Pressemitteilung.

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am 28.05.2024 von Matthias Ebel

Sortenkunde Teil 1 - richtige Bezeichnung

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Es gibt mehr als tausend verschiedene Cannabissorten. Wobei nicht ganz richtig ist, denn botanisch sind es eigentlich keine verschiedenen Sorten. Die richtige Bezeichnung ist verschiedene Cannabis Kultivare. „Kultivar" ist die Abkürzung von cultivated variety („angebauter Sorte"). Ein Kultivar ist von uns Menschen durch Selektionprozesse entwickelt und hat ganz typische und unterscheidbare Eigenschaften von anderen Kultivaren

Die Sorte ist in der Botanik eine der Art taxonomische Zwischenstufe. Der Begriff wird verwendet, wenn sich Exemplare einer gleichen Art in einer vergleichbaren Umgebung aus genetischen Gründen unterschiedlich entwickeln und nachweisbar wirklich unterscheidbare, charakteristische, völlig natürliche Variationen aufweisen.
Im Gegensatz zum Kultivar ist die Sorte also von Natur aus unterscheidbar, ohne dass der Mensch irgendwie eingegriffen hätte.

am 28.05.2024 von Matthias Ebel

Wieviele Pflanzen sind in Deutschland erlaubt?

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Ist der Besitz von einer Pflanze erlaubt, oder 3? Oder doch viel mehr?

Das Konsumcannabisgesetzes trat am 1.4.2024 in Deutschland in Kraft. Es wurde erlaubt, dass erwachsene Menschen zu Hause straffrei bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen dürfen.
Der Anbau in der eigenen Wohnung von 3 blühenden Pflanzen Cannabispflanzen wurde gestattet. Zur eigenen Wohnung zählt der eigene Balkon und Garten am Haus und wahrscheinlich auch der eigene Kleingarten.
Dem Gesetz ist folgendes zu entnehmen:
“§ 9 Anforderungen an den privaten Eigenanbau
(1) Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist im Geltungsbereich dieses Gesetzes an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt der private Eigenanbau von insgesamt nicht mehr als drei Cannabispflanzen gleichzeitig erlaubt.”

Klingt erstmal eindeutig. Nun kommt aber der Clou. Im Abschnitt "Begriffsbestimmung" ist folgendes zu finden:
"8. Cannabis: Pflanzen, Blüten, und sonstige Pflanzenteile sowie Harz der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen einschließlich den pflanzlichen Inhaltsstoffen nach Nummer 1 und Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe mit Ausnahme von
a) Cannabis zu medizinischen Zwecken oder Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken im Sinne von § 2 Nummer 1 und 2 des Medizinal-Cannabisgesetzes,
b) CBD,
c) Vermehrungsmaterial,
d) Nutzhanf und
e) Pflanzen als Teil von bei der Rübenzüchtung gepflanzten Schutzstreifen, wenn sie vor der Blüte vernichtet werden;"

Das bedeutet, dass Cannabispflanzen als Cannabispflanzen gesetzlich zählen und somit auf 3 begrenzt sind, wenn sie blühen. Ansonsten zählen sie als Vermehrungsmaterial bzw. Stecklinge und sind von der Begrenzung ausgenommen.
Somit steht dem Besitz, Anbau, gewerblicher Produktion und Vertrieb von Cannabispflanzen (von mehr als 3 Pflanzen) nichts im Wege - so lange sie nicht blühen.

am 24.04.2024 von Matthias Ebel

Was bedeutet die Unterteilung Sativa und Indica?

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Anekdotische Bedeutung, Herkunft der Einteilung, aktuelle wissenschaftliche Stand und Gründe für heutige Nutzung dieser Begriffe

1. Anekdotische Bedeutung
Weltweit werden diese beiden Begriffe benutzt, um Cannabis einzuteilen. Jedes Cannabiskultivar, ob in der Apotheke, bei einem Züchter, oder Händler wird entweder als Sativa, Indica oder wenn diese Einteilung nicht möglich ist als Hybrid, also als Mischung der beiden, beschrieben. Zur Vollständigkeit muss auch gesagt werden, dass es noch die "ruderalis"-Sorten gibt, hierbei handelt es sich um Cultivare die ihren Wachstumszyklus nicht über die Dauer des Lichts (Photoperiodismus) sondern über die Anzahl der Lebenstage regulieren, so dass diese selbstständig nach einer gewissen Zeit blühen, zum Beispiel Mitten im Hochsommer, statt am Ende des Hochsommer bzw. im Herbst. Folgend gehe ich nicht weiter auf diesen Typ ein, da dies zu stark von der Sativa-Indica-Kontroverse ablenkt.
Die Sativa/Indica-Einteilung erfolgt anhand zwei Kriterien. Zum einen der vermeintliche regionalen Herkunft dieser Pflanzen und zum anderen die Art der Wirkeffekte. Mit Sativa werden klassisch Kultivare beschrieben, die aus äquatorialen Regionen der Erde abstammen sollen und einen aktivierenden, konzentrationsfördernden, teilweise auch stark psychotropen Effekt haben. Sie wirken also tendenziell wie ein Aufputschmittel, können aber die Wahrnehmung auch stark verändern. Die Wirkung wird oft als Kopf-Wirkung beschrieben. Indica-Typen sollen klassisch aus dem Himalaya, Karakorum und Hindukusch kommen und werden mit einer stark beruhigenden, entspannenden und schmerzreduzierenden Wirkung verbunden, während die Auswirkungen auf die Wahrnehmung tendenziell geringen sind als bei Sativa’s. Die Wirkung wird eher als eine Körper-Wirkung beschrieben, der Körper wird schwer, träge und entspannt, während die Wahrnehmung eher “normal” bleibt. Da die Wirkungen von Cannabisblüten sehr komplex und extrem unterschiedlich sein können, ist eine grobe Einteilung in zwei (bzw. in drei) Hauptkategorien sehr hilfreich und bei Konsumenten wie auch Produzenten willkommen.

2. Herkunft dieser Einteilung
Nun muss erwähnt werden, dass die Einteilung von Cannabispflanzen auf Grund subjektiver Effekte, ohne diese Effekte an definierbare Inhaltsstoffe zu koppeln, recht willkürlich erscheint. Aber die Herkunft der Kultivare dieser Einteilung ist überhaupt nicht willkürlich und theoretisch genau nachvollziehbar.
Wir fangen ganz von vorne an. Das Wort “Cannabis” entwickelte sich wahrscheinlich aus dem Begriff "Kanab", den die Reiternomadenvölker aus den eurasischen Steppen, die Skythen für Cannabis genutzt haben (MacDonald, 2023, S. 6). In der vorchristlichen Zeit wurde auch im hebräischen Alten Testament, sowie auch in der aramäischen Übersetzung das Wort “Kaneh” oder “Kanesh” verwendet (Cathcart, 2016, S. 37). Über einige Zwischenschritte wurde daraus das Griechische Wort κάνναβις (kannabis), woraus sich das Lateinische Wort Cannabis entwickelte.
Karl der Große bezeichnete Cannabis beispielsweise im Jahr 813 als “Canava” (Karl der Große, zwischen 770 - 810).
Aus dem Jahr 1542 haben wir den schriftlichen, ersten Beweis, dass die Pflanze von dem Mediziner Leonhart Fuchs als “Cannabis sativa” bezeichnet wurde (Fuchs, 1542).
Und 1730 wurde Cannabis von dem als Begründer der modernen Pflanzen-Systematik bekannten Carl von Linne als “Cannabis sativa L.” bezeichnet. Da dessen Werk bis heute die Blaupause der modernen Pflanzenbezeichnungen angesehen wird, hat sich dieser Begriff auch gehalten. “Sativa” ist Latein und bedeutet kultiviert/gezüchtet/angebaut - Linne beschrieb nämlich europäische Cannabispflanzen, die vor allem als Faserpflanze auf vielen Feldern in Europa angebaut wurden und 3 bis 5 Meter hoch wurden. Das “L.” ist das Kürzel von Carl Linne und steht hinter vielen Pflanzen, die von Linne dokumentiert wurden (Linee 1753). So bekam Cannabis den auch heute genutzten botanischen Namen und wurde mit spezifischen Eigenschaften beschrieben und definiert.
1785 entdeckte J. B. Lamarck in Indien Pflanzen, die dem europäischen Nutzhanf (Cannabis sativa L.) sehr ähnelten, aber ganz anders genutzt wurden und somit in die Definition von Linee, Lamarck’s Meinung nach, nicht passten (Lamarck 1785). Somit definierte er diese Pflanzen als Cannabis indica. Also als eine in Indien wachsende Cannabisart von kleinerem, buschigeren Wuchs mit großen Blütenständen, die anders, bzw. nicht als Faserpflanze, sondern als Medizin und Genussmittel genutzt wurden.
Damit waren zwei verschiedene Cannabisarten definiert und diese Definition hielt sich weitgehend bis in das 21. Jahrhundert, während sich die Nutzung der Begrifflichkeiten wie oben in Teil 1 ausgeführt etwas änderte. Die Bezeichnungen entwickelten sich dahingehend weiter, dass Sativa für anregend wirkende, groß und ausladende Pflanzen steht und Indica für stark beruhigende und eher klein und kompakt wachsende.

3. Heutige wissenschaftliche Einordnung
Die Begrifflichkeiten bzw. die Cannabisarten wurden erst im 21. Jahrhundert wissenschaftlich genauer untersucht. Bereits 2013 untersuchte Jeffrey Raber in seinem privaten Testlabor circa 1000 verschiedene Cannabissorten und konnte keine Unterschiede in den Inhaltsstoffen von den sogenannten Indica- und Sativa-Blüten feststellen (Romero, 2013).
Rabers Ergebnisse aus seiner Testreihe wurden 2015 in einer wissenschaftlichen Studie von Sawler et al. bestätigt (Sawler 2015). Forscher der University of British Columbia und der Dalhousie University suchten hierbei nach den Ursprüngen verschiedener Nutzhanf-Sorten sowie einiger hoch potenter Cannabis-Sorten. Beim Vergleich der 83 hoch potenten Züchtungen konnten die Forscher keine einheitlichen Muster entdecken, um die Sorten Indica oder Sativa eindeutig zuordnen zu können. Scheinbar war die Sorte „Jamaican Lambs Bread” mit angeblich 100 % “Sativa”-Genen mit einer reinen “Indica” aus Afghanistan genetisch fast identisch. Der Verfasser Jonathan Page zog folgendes Fazit: „Derzeit kann man die Herkunft einer Sorte weder am Namen noch am angegebenen Stammbaum bestimmen. Langfristig brauchen wir ein praktisches, genaues und zuverlässigeres Klassifizierungssystem“.
Dies wurde daraufhin 2017 von einer durch Bedrocan finanzierten Studie durch eine Untersuchung europäischer Cannabis-Sorten bestätigt (Bedrocan 2017).
2017 hat John M. McPartland einen umfassenden Artikel veröffentlicht, der sich mit dieser Thematik intensiv befasst. Er stellte fest, dass die modernen Bedeutungen, die den Begriffe Indica und Sativa zugeordnet sind, sich von der eigentlichen Definition von Linne und Lamarck, die sich unter anderem auf die Herkunft bezog, unterscheiden. Ebenfalls legt er dar, dass der Grund, dass C. Sativa und C. Indica sich heute nicht mehr auseinanderhalten lassen, auf Grund der intensiven Kreuzungen von Cannabispflanzen in den letzten Jahrzehnten. (McPartland, 2017, S.110ff.)
Die aktuellste Untersuchung hierzu stammt von Watts et al., die 2021 zu dem Ergebnis kamen, dass die verschiedenen Sorten (mehr als 100 in der Untersuchung) genetisch und nach Cannabinoidgehältern und Cannbinoidprofilen nicht zu Indica und Sativa zuordenbar sind. Doch anhand bestimmter Hauptterpene ließe sich Indica und Sativa unterscheiden. Myrcene zum Beispiel findet sich eher in Indica-”Sorten” in größeren Konzentrationen. Hierzu, zum Schluss kommendes Zitat aus dieser Studie:
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass die derzeit zur Kennzeichnung von Cannabis verwendete Sativa-Indica-Skala die genomischen und metabolomischen Unterschiede insgesamt nur unzureichend erfasst. Die Kennzeichnung von Cannabis wird stattdessen wahrscheinlich in erster Linie durch eine kleine Anzahl von Hauptterpenen bestimmt, deren Konzentrationen zu den charakteristischen Aromen beitragen, die gemeinhin mit Sativa und Indica in Verbindung gebracht werden [...]. Während die umgangssprachlichen Bezeichnungen “Sativa” und “Indica” von taxonomischen Namen abgeleitet sind, die ursprünglich dazu dienten, Pflanzen nach ihrer Abstammung zu kategorisieren, wurden diese Begriffe von der zeitgenössischen Cannabiskultur übernommen und spiegeln nun wahrscheinlich eine ortsspezifische genetische Variation wider, die die Terpensynthese beeinflusst. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein praktisches und zuverlässiges Klassifizierungssystem für Cannabis, das mit dem heutigen Verständnis der Begriffe „Sativa“ und „Indica“ übereinstimmt, durch die Quantifizierung einer kleinen Anzahl von Terpenen und/oder die Genotypisierung von genetischen Markern, die mit den wichtigsten Cannabisaromen in Verbindung stehen, erreicht werden kann.”
Wir sind wahrscheinlich nun bereits einen Schritt weiter in der Richtung wie es der bekannte Cannabisforscher Ethan Russo bereits 2016 forderte:
“Da sich die Taxonomen nicht einigen können, möchte ich die wissenschaftliche Gemeinschaft, die Presse und die Öffentlichkeit nachdrücklich ermutigen, die Sativa/Indica-Nomenklatur aufzugeben und stattdessen darauf zu bestehen, dass genaue biochemische Tests zu Cannabinoid- und Terpenoidprofilen für Cannabis sowohl für den medizinischen als auch für den Freizeitmarkt verfügbar sind.“

4. Warum werden diese Begriffe noch genutzt?
Die Effekte von Cannabis auf die Psyche sind sehr komplex. Der Rausch oder das High unterscheidet sich von Sorte zu Sorte und manchmal extrem. Es ist bisher noch nicht eindeutig belegt, welche Stoffe für diese unterschiedlichen Wirkungen verantwortlich sind, somit ist eine Klassifizierung anhand der Effekte und Inhaltsstoffe immer noch nicht möglich. Damit Konsumenten und Produzenten sich die Cannabissorten irgendwie anhand ihrer Wirkungen besser einteilen können, hat sich die Klassifizierung in Indica-, Sativa- und Hybrid-Sorten so stark etabliert und wird aktuell auch mit besserem Wissen beibehalten. Eine einfache und korrektere Alternative wäre, die Kultivare nur anhand ihrer konkreten Effekten zu beschreiben, wie zum Beispiel “aktivieren”, “sedierend”, etc. .

Quellenverzeichnis:
Cathcart, J. H. (2016). Knowledge of Good and Evil: An Urban Ethnography of a Smoking Culture. University of California, Riverside. online einsehbar unter: https://escholarship.org/content/qt5k39t42m/qt5k39t42m_noSplash_4ac858b60e53d69200d75c258a1bf549.pdf.
MacDonald, T. (2023). A Weed by Any Other Name: Culture, Context, and the Terminology Shift from Marijuana to Cannabis. The Ohio State University Moritz College of Law. online einsehbar unter: https://deliverypdf.ssrn.com/delivery.php?ID=245087086113074023089093090072068103113043039055000059064099010000067020031030119064102049096037117024113115121115099007009001057081030030036080109005017095005019087017007075110000021098085110091067127025123110103086075093030006015029028076001008008020&EXT=pdf&INDEX=TRUE.
Karl der Große (770 - 810). Capitulare de villis vel curtis imperii (Caroli Magni). Kapitel LXII.
Fuchs, L. (1542). De historia Stirpium Commentarii Insignes. Isingrin, Basel.
Linné, C. (1753). Species plantarum; Bd. 1, Holmiæ. Stockholm.
De Lamarck, J. B. (1783 - 1803). Encyclopédie Méthodique: Botanique. Paris.
Romero, D. (2013). Marijuana strains like OG Kush are meaningless, Expert says. online einsehbar unter: https://www.nature.com/articles/s41477-021-01003-y.
Sawler, J., Stout, J. M., Gardner, K. M., Hudson, D., Vidmar, J., Butler, L., Page, J. E., Myles, S. (2015). The Genetic Structure of Marijuana and Hemp. online einsehbar unter: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0133292.
Bedroncan (2017). No clear evidence of ancestry differences between Sativa- and Indica-labelled cannabis. online einsehbar unter: https://bedrocan.com/no-clear-evidence/. [Originale Veröffentlichung nicht auffindbar]
McPartland, J. M. (2017). In Cannabis sativa L. - Botany and Biotechnology. University of Mississippi, Oxford, USA.
Watts, S., McElroy, M., Migicovsky, Z. (2021). Cannabis labelling is associated with genetic variation in terpene synthase genes. Nat. Plants 7. online einsehbar unter: https://doi.org/10.1038/s41477-021-01003-y.
Piomelli, D., Russo, E. B. (2016). The Cannabis sativa Versus Cannabis indica Debate: An Interview with Ethan Russo, MD. Cannabis Cannabinoid Res. online einsehbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5576603/

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